Fidel: ein Guter oder ein Böser? CUBA SI von Chris Marker (1961)

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Erst 1963 wiederaufgeführt, behandelt der Film die einseitige Berichterstattung Frankreichs in Bezug auf Fidel Castro. Kritik dieser Art, die wollte la Grande Nation – damals in den Endzügen des Algerienkriegs befindlich – partout nicht zulassen. Der Film ist kostenfrei zu sehen (LINK), der tiefsinnige Kommentar ebenso legal als PDF (LINK) erhältlich.

 

 

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Studio: A Remembrance of Chris Marker von Adam Bartos und Colin McCabe

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Eine Hommage in Buchform, welche sich primär fotografisch dem Labor des Meisters annimmt. Adam Bartos versucht anhand der offenbar famosen Akribie und einzigartigen Systemtaik des Arbeitsraumes Markers eine visuelle und würdige Entsprechung zu finden. Die Texte stammen von Colin McCabe, einem renommierten Godard-Biografen.

Geplante Veröffentlichung : 23.05.2017

Quelle: LINK 

Bildquelle: 2007 © Adam Bartos

 

 

Perspektivenwechsel: Les sauteurs, DK 2016 – Regie: Moritz Siebert, Estephan Wagner, Abou B. Sidibé

Ein denkenswerter filmischer Versuch, dem Genre Dokumentarfilm eine sinngebende Erweiterungmaßnahme zu verpassen. In „Les sauteurs“ wird auf der methodischen Seite die Frage verhandelt, was ein ‚Sehen ohne selbst gesehen zu werden‘ bedeutet; Harun Farocki interessierte sich bekanntlich dezidiert für dieses Sujet. Überwachungskameras, angebracht hoch oben an den Sicherheitszäunen, die ein Land vom Anderen trennen, ihre Infrarotbilder mit kleinen weißen Punkten, welche die rennenden überwiegend schwarzen Frauen, Kinder und Männer im eigentlich Dunklen zeigen, verzerrt, verfremdet, computerbinär entstellt. Wir kennen diese Bilder – ob von der mexikanisch-amerikanischen Grenze oder vom Leuchtturm in Lampedusa ausgehend. Selbst derart abstrahiert, sind die hastigen Bewegungen, das Fluchtmoment, das Momentum der Angst, der Befürchtung erwischt zu werden, deutlich zu erkennen. Zu erkennen als skizzierte Minimalandeutung, die in uns durch all die Medienbilder eine konkrete politische Bewertungsdimension, unsere Haltung, tangiert. Dass dies ausreicht, hat Philipp  Scheffner in „Havarie“ eindrucksvoll bewiesen, doch auch „Fuocoammare“ von Gianfranco Rosi hat als Film mit Tendenz zur Film-/Kulturvermittlung seine Berechtigung. Und dennoch: So nah am Elend dabei zu sein und nicht humanistisch bedingt lebenserhaltende Nächstenhilfe zu leisten, stattdessen aber das Geschehen zu filmen, ist und bleibt sicher ein legitimer wie auch streitbarer Punkt. „Les sauteurs“ lässt nun die Flüchtlinge selbst die Kamera in die Hand nehmen und  ihre ‚Reiseroute‘ dokumentieren. Der Regisseur Abou Bakar Sidibé aus Mali ist zugleich Kameramann. Dass wir die Bilder derart spannend finden ist gewiss auch dem natürlichen Anteil an Voyeurismus in uns zu verdanken.  Auf der anderen Seite geht es aber um einen Erkenntnisgewinn: Die Leinwand ist nicht länger die Trennlinie zwischen Gemütlichkeit und Realgeschehen.

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Les sauteurs, DK 2016 – Regie: Moritz Siebert, Estephan Wagner, Abou B. Sidibé. Arsenal, 79 Min.

TRAILER 

 

Bildquelle: Sämtliche Rechte besitzt das Arsenal Berlin

 

 

Mapping Rohmer – a Video Essay by Richard Misek

Richard Misek (University of Kent)  selbst nennt seine Arbeit aus dem Jahre 2013 eine „historische Fiktion“. Eine cinephile Assemblage von Parisaufnahmen, aus der Sicht von Eric Rohmer. Eine Voice-over-Stimme führt den Zuschauer durch den Film, der einer famosen Hommage an den Großmeister der Nouvelle Vague gleichkommt. 

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Per Zufall entdeckt sich Misek im Film „Rendezvous in Paris“ (1995) beim Überqueren Straße in Montmartre. Daraufhin sichtet er wie besessen sämtliche Werke Rohmers. Der französische Regisseur gehörte zu Paris, so wie seine Filme untrennbar von der Metropole sind. Diese Obsession spiegelt sich in der Machart der Filme wieder sowie auf die Empfindungen und das Verhalten der Protagonisten. 

Misek montiert eine komplexe Matrix aus Pfaden und Kreuzungen, lässt die Einstellungen mal lang, mal kurz einander kollidieren, nein, das ist ganz falsch, synthetisieren. Das fragmentale Ergebnis lässt Rohmers Wirken in einer neuen Rezeptionsart erscheinen, deren Mehrwert eher ein filmpsychologischer als ein filmhistorischer sein dürfte 

VIDEOLINK

 

Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft zum Thema „KRITIK“

Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft ||| Freie Universität Berlin ||| 28.9. − 01.10.2016

Kritik ist nicht einfach – weder ihre qualifizierte Ausübung noch ihr beizukommen. Die Tagung an der FU versuchte aus medienwissenschaftlicher Sicht einen zeitgenössischen Reflexionsraum für die Kritik zu öffnen bzw. das Verhältnis von Kritik und Medien zu untersuchen.

Das erste Panel vertiefte den Zusammenhang von Medien und Behinderung auf der Grundlage einer soziologisch interessierten Theorie der Medienpraktiken. Dazu wurden die „Medien der Account(dis)ability“ thematisiert. Der Ansatz ist der, in und über Medien kritisch zu reflektieren bzw. der Frage nachzugehen was Medien überhaupt sind und wie sie soziale Praktiken gestalten.

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Das Panel „Kritik üben“ mit fokussierte sich auf die Praxeologie des Einübens und Ausübens von Kritik, ausgehend von Foucaults Ansatz. Besonders denkenswert war der Vortrag von Verena Pöhnls über die E-Zigarette bzw. über das Kritik-Üben als Oszillieren zwischen selbsttechnologischen Subjektkonstitutionen, staatlicher Gesundheitskontrolle und Lifestyle. Louise Haitz analaysierte dagegen mikropolitische Meinungsäußerungen in Facbeookkommentaren aus medienethnografische Pespektive.

Der aus meiner Sicht interessanteste Vortrag war im Panel „Kritik der Medientheorie“ implementiert. In „Die Form der Kritik – Zur Geburt der Medientheorie aus dem Geiste des Essayismus“ konstatierte Christoph Ernst (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) in Bezug auf die essayistische Tradition, ihre wesentliche Bedeutung für die Ausdifferenzierung der kritischen Perspektive der Medientheorie. Dabei unterstrich er das grenzüberschreitende Potential des essayistischen Verfahrens, in dem er seinen ‚Modus der Reflexion‘ heraushob, bei dem die Form der Schreibweise ein integraler Teil der methodischen Zugriffsweise ist. Ferner erfolgte ein zeitgenössischer Rekurs auf Flusser und Derrida, ausgehend von theoretischen Brückenlegungen von Michel Serres und Günter Anders.

Im von Ursula von Keitz (Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf) moderierten Panel namens „Wirklichkeit der Kritik/Kritik der Wirklichkeit – Zu den kritischen Dimensionen des Dokumentarischen im Film„ wurde anhand dreier Beispiele exemplarische Perspektiven auf Kritik und Dokumentarfilm im deutschen Film gegenübergestellt. Diese entstammen aus der Arbeit am DFG-Forschungsprojekt „Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005″. Insbesondere der Vortrag von Philipp Blum (Haus des Dokumentarfilms) mit dem Titel „Experimentelle Doku-Fiktionen als ästhetische Kritik einer filmischen Gattungsbinarität“ war aufschlussreich. Die Feststellung, dass Kritik in Formaten wie Fake-Documentaries oder Mock-Documentaries nicht nur in einem ästhetisch immanenten Performativitäts- und Reflexionszusammenhang filmischer Formen steht, sondern dass erheblich auf mediale, historische, politische und soziale Kontexte Einfluss ausgeübt wird, war hierbei ein präzis ausgearbeitetes Resultat seiner Studie.

 

Insgesamt eine sehr umfang- und inhaltsreiche Veranstaltung, deren zeitgenössischer Kontext sehr explizit dargestellt wurde.

Das komplette Programm: PROGRAMM