Vom Versuch als Ergebnis: Roman Signer

»Ich habe schon wochenlang gearbeitet, und es hat nichts dabei herausgeschaut. Das hat mir überhaupt nichts ausgemacht. Ich liebe den Versuch, und der Versuch hat auch die Möglichkeit des Scheiterns in sich – eine grossartige Freiheit! Die Natur manifestiert sich auch wenns misslingt – es will halt so …« R.S.

Seine lange Freundschaft zu Peter Liechti (der Film von Liechti namens Signer’s Koffer lief 2013 auf dem DOK Leipzig: LINK) basierte u.a. auf ein tief geteiltes Verständnis davon, den Versuch mit all seinen Risiken nicht als Problematik zu betrachten, sondern vielmehr als einen dynamischen Antrieb der kreativen Entfaltung. Der Fehler bzw. das Scheitern: eine hinnehmbare Seitenerscheinung einer absoluten Freiheit.

Spricht Werner Herzog in Tokyo Ga von Wim Wenders über eine „beleidigte Landschaft“, derer man sich als Filmemacher zu entledigen hat, indem man neue Bilder einfängt, so ist es bei Signer die Erwartungshaltung des Betrachters, die möglicherweise enttäuscht werden wird. Umgangen wird dies über die Komik, doch enthält der Film von Peter Liechti sehr viel mehr als nur Klamauk. Es ist ein Portrait ganz nah am Menschen Signer, dessen Persönlichkeit eins zu eins in die Werke übertragen ist. Die Reflexion wird vollzogen durch die Ausführung; und zwar explizit in diesem Moment. Signer verwendet sich selbst als Material des Ausdrucks und der Vergegenwärtigung. Ein großartiger Künstler mit Scharfsinn genau dort, wo dieser unerwartbar zu sein scheint: nämlich just an der Kante zum Unsinn.

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Podcast von Gerd Roscher: „Konstellation einer Zwischenzeit“

Die Verhandlung der Begriffe „Konstellation/Konfiguration“, „Montage“ und „Essay“ bzw. die Reflexion über diese systemgebenden Zahnräder in vielen ambitionierten filmischen  Arbeiten, wird immer wieder versucht neuzudefinieren. Gerd Roscher bietet hier einige schöne Aspekte an zur Neu- und Wiederbetrachtung an.

PodcastLINK

Eine Doktorarbeit der Uni-Freiburg aus dem Jahre 2000 nahm sich dieser wissenschaftlicher Natur an: LINK

Morgen 21.4. in Berlin: Forgetting Vietnam von Trinh T. Minh-ha

R: Trinh T. Minh-ha, USA-Vietnam, 2015, 90 min, OmE

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Filmstill aus Forgetting Vietnam von Trinh T. Minh-ha, © Moongift Films

Es bedarf noch immer Überzeugungsarbeit um diese einzigartige Künstlerin und Theoretikerin auch hierzulande bekannter zu machen. Ihre Unbeirrtheit und grenzüberschreitende Haltung ist maßgeblich für ihr Alleinstellungsmerkmal verantwortlich, wohl aber auch der Grund für ihre nicht einfach zu verstehende Lehre.

21:30 Uhr, Haus der Kulturen der Welt

Kompilations-, Foundfootage-, Orphan- oder Essayfilm?

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Jüngste Forschungsbemühungen so einiger Filminstitutionen im Bereich des Archivs machen deutlich, welch Signifikanz der Umgang mit den überbordenden Materialanhäufungen seit Anbeginn des speicherbaren Films bzw. Videos haben. Der Aspekt des Kulturellen Erbes spielt hier eine basale und wichtige Rolle. Die andere Perspektive ist aber auch denkenswert: Immer mehr FilmemacherINNEN umgehen den Eigendreh und (re-)interpretieren vorgefundenes Material. Videoplattformen sind nichts anderes als Bewegtbilddatenbanken, und stellen einen schier unbegrenzten Fundus an Inhalten zur Verfügung. Diesem Phänomen widmet sich in diesem Jahr das Haus des Dokumentarfilms. »Fakes, Fakten, Footage« heißt der Tagungstitel von Dokville 2017 – stattfinden wird das Ganze in Stuttgart. Genaueres zum Programm ist gegenwärtig noch nicht vorliegend.

Offener Doktoranden-Workshop: Bilder sichtbar machen. Visualität in Philosophie, Literatur, Film und Bildender Kunst

Der interdisziplinäre Doktoranden-Workshop an der LMU München möchte Promovierende der Literaturwissenschaften, der Film- und Kunstwissenschaften und der Philosophie über Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Sehen, Lesen, Denken und Schreiben ins Gespräch bringen.

Wie bezeichnen Bilder, wie werden sie lesbar? Wie evozieren, wie erschreiben Texte Visualität? Der Workshop nähert sich diesen für die Relation zwischen dem Gegenstand und seinem Gegenüber grundlegenden Prozessen aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven und will einzelne Arbeiten aus Film und Bildender Kunst sowie literarische und philosophische Texte überwiegend des 20. Jahrhunderts in genauer Analyse auf ihre Struktur und die sich daraus ergebenden theoretischen Implikationen hin befragen.

Visualität ist hier verstanden als Prozess des Sichtbarwerdens, als Phänomen zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Um dieses genauer zu konturieren, sollen Konzeptionen von Text und Bild eingesetzt werden, die diese in ihren Brüchen, ihren dialektischen Bewegungen, ihrer gegenseitigen Durchdringung begreifen – als Diskursschnittstellen, in ihrer politischen Dimension, ihrer Konstruktion von Räumen und Emotionen. Erkennbar werden sollen komplexe Verweisungssysteme, die sich jeweils unterschiedlich ausgestalten, ihre eigenen Ordnungen bilden, die ausgreifen und Einschreibungen erfahren. So sollen auch die vielfältigen Verbindungslinien zwischen Philosophie, Film, Literatur, Photographie und Malerei in den Vorträgen und über sie hinweg nachgezeichnet werden.

Doktoranden-Workshop, 5. und 6. Mai 2017, Ludwig-Maximilians-Universität München Geschwister-Scholl-Platz 1 (Hauptgebäude), Raum M 203

Kontakt:

Katharina Rajabi: katharina.rajabi@germanistik.uni-muenchen.de Katharina Simon: katharina.simon@campus.lmu.de

 

Kurzreport über ein Essayfilm-Festival in London: “Critique, Protest, Activism and the Video Essay”

Neben Kevin B. Lee waren sehr viele hochkarätige ExpertenInnen wie Chloé Galibert-Laîné oder Laura Mulvey zugegen. Die Veranstaltung widmete sich ganz bewusst Ansätzen, die dem so begriffsfaden „Digitalen Zeitalter“ ein markantes Gesicht verpassen. In insgesamt 16 Sessions wurde die globale zeitgenössische Relevanz essayistischer Arbeiten aufgezeigt, deren Problem es noch immer zu sein scheint, dass diese nicht in einen bestimmten kategorischen Rahmen passen. Der Essayfilm dient daher nach wie vor als ein Kreativcontainer für wunderbare künstlerische Ansätze, deren Reflexionsmoment sie von den meisten anderen filmischen Arbeiten differenziert.

 

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Das vollständige Programm: LINK

 

“Critique, Protest, Activism and the Video Essay”
Essay Film Festival, Institute of Contemporary Arts, London

http://www.essayfilmfestival.com

 

 

 

Film als Forschungsmethode: 22. Internationales Bremer Symposium zum Film

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Die Idee, den Film als Medium der Forschung zu nutzen, ist so alt wie der Film selbst. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts zeichneten wissenschaftliche Filme Dinge, Pflanzen, Tiere und Menschen auf. Mit Rückgriff auf den Avantgardefilm, der das Medium Film selbstreflexiv erforscht, wurden in jüngster Zeit Forschungsansätze entwickelt, die sich im Grenzbereich von Wissenschaft und Kunst bewegen. Diese erreichen auf Festivals und im Kunstkontext ein großes Publikum.

Auch der Video-Essay wird genannt als „kleine Form“, die die klassisch schreibende Tätigkeit audiovisuell erweitert und an Formen des Essayfilms anknüpft. Diese und ähnliche Ansätze zielen auf eine Ästhetisierung von Wissenschaft, auf eine Kritik wissenschaftlich-medialer Beobachtung und auf eine Diversifizierung von textbasierter Erkenntnisproduktion. Das vollständige Programm findet sich hier: LINK

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Der Neoessayfilm: Kann ein Film zu viel wollen?

redux/time/OUT OF JOINT nennt sich ein Film von Caspar Stracke aus dem Jahre 2015. Hier werden unterschiedliche Wissenschaften, Kunstformen und Wahrnehmungsmuster mit disparaten formal-ästhetischen Bildkonzepten konfrontiert. Dabei gilt es nur das Rückwärtige als mögliche Verlaufsstrategie temporaler Natur zu ergründen. Ein genialer Versuch der bodenloser nicht sein könnte: Stracke schwebt buchstäblich über den thematischen Fundus an wirklich präzis selektierten Untersuchungsgegenständen. Wer bitte erinnert sich an den Zagreber Neoplantoniker Ivan Ladislav Galeta (2014 verstorben), der zwar auf der einen Seite ein Experimentalfilmemacher war, vor allen Dingen jedoch von einer regelrechten mathematischen Besessenheit gekennzeichnet. Seine Werke analysierten stets das Medium Film in einer bemerkenswert akribischen Art und Weise. Stracke flechtet Galetas Arbeit WAL(L)ZEN von 1989 in seinen Film ein. 

 

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In WAL(L)ZEN geht es um einen Pianisten der einen Part aus Chopins Waltz vorträgt. Das war zwölf Jahre vor dem Film WAL(L)ZEN, als der Pianist (Fred Dosek) das Stück bereits für Galetas Film Forward-Backward: Piano(1977) einspielte. In WAL(L)ZEN manipuliert Galeta das Video mit Dosek, nach einem mathematischen Plan entworfen, vorwärts, rückwärts – mitunter in doppelter Geschwindigkeit. Zahlreiche komplexe Fundstücke, Interviews und Inszenierungen der Person Stracke im Film, verdichten redux/time/OUT OF JOINT derart, dass die meisten Festivals ihn als Essayfilm in der Lage sahen zu umschreiben oder aber als experimentellen Dokumentarfilm. Über diesen und andere relavante Punkte des Films, werden Clemens von Wedemeyer und ich bei der kommenden Veranstaltung von TEMPORAL DISORDER#2 am 25.4.2017 um 18:30 Uhr in der GFZK sprechen.